Windtower

Diplomarbeit 2001, Universität Stuttgart

Prof. Stefan Behling, Institut für Baukonstruktion und Entwerfen II
Prof. Dr.-Ing. Werner Sobek, Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK)

Diplompreis 2001 der Universität Stuttgart


Höhe: 300 m
BGF: 80.000 m2
Kombi-Büros: 3.500, Großraumbüros: 5.000
Energieerzeugung: Windkraft
Gesamtenergiebedarf pro Jahr: 8,80 GWh
Turbinenleistung pro Jahr: 9,64 GWh

Die Entwicklung regenerativer Energien gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die Nutzung von Windenergie ist bisher fast ausschließlich auf Windturbinen gestützt, die in freier Landschaft fernab von gebauter Umgebung stehen.
Aufgabe war es, ein Hochhaus zu entwickeln, dessen Energieverbrauch größtenteils durch Windenergie gedeckt wird, die direkt am/im/auf dem Gebäude gewonnen wird. Schwerpunkte der Bearbeitung waren die Windenergienutzung, das Tragwerk, die Hülle sowie ein energetisch effizientes Gesamtkonzept.

Windenergiesystem

Grundlegend war die Fragestellung nach der Wahl des Windenergiesystems. Das Rotorsystem erwies sich als am effizientesten. Hinsichtlich der Festlegung der Anzahl an Rotoren waren neben gestalterischen Abwägungen auch technische Grundlagen entscheidend. Je größer der Rotordurchmesser und somit die beschriebene Kreisfläche ist, desto größer ist die Leistung. Gewählt wurde deshalb ein Rotor mit sehr großem Durchmesser von 66 m anstelle von mehreren kleinen Rotoren.


Windenergiesysteme

Vergleich Anzahl und Größe von Rotoren

Technische Daten Rotor

Anordnung des Rotors am Gebäude

Ein weiterer entscheidender Aspekt war die Anordnung des Rotors am Gebäude. Zusätzlich zur Rotorgröße ist die Windgeschwindigkeit entscheidend für die Effizienz. Da die Windgeschwindigkeit exponentiell mit der Höhe zunimmt muss der Rotor folglich an oberster Stelle angeordnet werden. Dies hat zudem den Vorteil, dass der Rotor dort nicht durch einen vom Gebäude erzeugten Windschatten beeinträchtigt wird. Ein weiterer Vorteil ist, dass eine Windnachführung möglich ist. Durch die freie Lage kann der Rotor senkrecht zur Windrichtung ausgerichtet werden und gewährleistet somit die größtmögliche Energiegewinnung.

Relative Windgeschwindigkeit

Windressourcen und Standortbestimmung

Die Windgeschwindigkeit wird durch die Rauhigkeit der Topographie beeinflusst. Wälder, Berge sowie Bebauungen schwächen die Windgeschwindigkeit ab. Offshore ist die Rauhigheit aufgrund fehlender Hindernisse hingegen sehr gering und die Windgeschwindigkeit somit deutlich höher.

Rauigkeit

Beim direkten Übergang von der See zum Festland verliert der Wind aufgrund der beginnenden Rauigkeit der Geländeoberfläche in etwa die Hälfte an Energie. Deshalb bietet sich ein Offshore-Standort in Küstennähe an.

Windenergieverlauf an Küsten

Rotterdamer Hafen

Aufgrund sehr günstiger Windverhältnisse wurde der Rotterdamer Hafen gewählt. Die Wahl der Lage erfüllt zwei wesentliche Aspekte. Zum einen zieht der Windtower, bedingt durch die sehr stark frequentierte Maasmündung die Blicke auf sich und kann dadurch seine Botschaft in die Welt entsenden: Eine Botschaft, die sowohl zum Nachdenken bezüglich des Umgangs mit den vorhandenen Ressourcen anregen soll als auch dazu auffordert, regenerative Energien in verstärktem Maße zu nutzen. Zum anderen soll der Windtower als Seemarke den Übergang vom offenen Meer zum Hafengelände neu definieren.

Rotterdam, Maasmündung

Nutzung

Die damalige Erweiterung des Rotterdamer Hafens zog eine Vergrößerung der Hafenverwaltung nach sich. Deshalb sollte der Windtower in erster Linie Büroflächen zur Verfügung stellen, zudem jedoch auch der Öffentlichkeit in Form eines Aussichtsbereich mit Informationen zur Windenergiegewinnung sowie einem Café und Restaurant im Foyer zugänglich sein. Des Weiteren bietet der Windtower, der von einem Damm umgeben ist, Anlegestellen für Motorboote und Segelschiffe.

Aussichtsbereich

Damm

Der Windtower ist von einem Damm umgeben, der je nach Tidenhub (von -1,50 m bis +0,50 m bezüglich NN) zwischen 6 und 8 m über die Wasseroberfläche herausragt. Dadurch wird das Gebäude vor zu hohem Wellengang geschützt. Zusätzlich verhindern Wellenbrecher, die in einem gewissen Abstand vor dem Damm auf dem Meeresgrund angebracht sind, das Aufkommen großer Wellen.

Personentransfer über Fähren und Skywalk

Der Personentransfer sowie die Anlieferung zum Windtower erfolgen in erster Linie durch Pendelverkehr von Fähren. Hierfür sind zwei Fähranlegestellen vorgesehen. Zudem besteht im privaten Bereich die Möglichkeit, die Bootsanlegestellen im inneren Bereich des Dammes zu nutzen. Zusätzlich zum Fährverkehr kann der Windtower über den Skywalk zu Fuß erreicht werden.

Gebäudeform

Die Gebäudeform muss zum einen gestalterischen Ansprüchen gerecht werden. Zudem hat die gewählte Form mit der geschwungenen Fassade den Vorteil, dass die enormen Windkräfte (Winddruck und Windsog), die auf den Windtower einwirken deutlich reduziert werden.

Fassadenaufbau und Lüftungskonzept

Die Vorhangfassade besteht aus einer äußeren und einer inneren Glasfläche. Durch die äußere Glasfläche wird der enorme Winddruck auf die innere, öffenbare Glasfläche abgehalten. Die Frischluftzufuhr erfolgt über ein steuerbares Lamellensystem und ermöglicht eine kontrollierte natürliche oder mechanische Belüftung.

Detailschnitt Fassade

Lüftungskonzept

Schallschutz

Die äußere Glasfläche erhöht den Schallschutz, da mit dem Meeresrauschen und insbesondere mit dem Rotorgeräusch nicht zu unterschätzende Schallquellen vorhanden sind. Im oberen Turmbereich ist aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Rotor zusätzlich ein konstruktiver Schallschutz vor der eigentlichen Fassade angebracht.

Energiebilanz

Der Gesamtenergiebedarf beträgt pro Jahr 8,80 GWh, die Turbinenleistung 9,64 GWh. Somit wird ein Überschuss von ca. 10 % erzeugt.


Energiebilanz